Laut Dorfchronik aus dem Jahre 1859 beruht das Passionsspiel auf dem Gelübde der Oberammergauer im Jahre 1633, als die Pest im Ort herrschte: ”In dem großen Leidwesen, welches die furchtbare Krankheit über die Gemeinde gebracht hatte, sind endlich die Vorgesetzten der Gemeinde, die Sechs und Zwölf, zusammengetreten, und haben das Verlobnis gemacht, die Passionstragödie alle zehn Jahre zu halten, und von dieser Zeit an ist kein einziger Mensch mehr gestorben, obwohl noch etliche die Pestzeichen an sich hatten.”[1] Im Gegensatz zu den meisten anderen Passionsspielen war und ist die politische Gemeinde Träger der Spiele, da das Gelübde schon ursprünglich von den Vorstehern der Gemeinde geleistet wurde. Als die Pest wich, lösten sie ihr Versprechen ein.
„Das Verlobnis führte wahrscheinlich die Darstellung des Passion in Ammergau nicht erst als neu ein, sondern machte nur die regelmäßige Aufführung des selben nach je zehn Jahren der Gemeinde zur Verpflichtung.”[2]
1634 wurde das erste Passionsspiel als Dank an Gott für die Rettung von 60 –70 Darstellern auf dem Friedhof neben der Pfarrkirche aufgeführt.[3] Die Urfassung des Textes der Oberammergauer Passionsspiele ist nicht überliefert. Das erste erhaltene Textbuch stammt aus dem Jahre 1662.[4] Das Textbuch enthält den Hinweis, „Ist wiederumb renoviert”[5], was einerseits den Schluß zuläßt, daß es seit 1634 in dieser Fassung gespielt wurde und nur das Papier schon so abgenützt war, und es deswegen neu geschrieben werden mußte, oder es wurden schon damals immer wieder Bearbeitungen angefertigt.
Der erste Text, welcher 4902 Verse umfaßt, ist keine Neuschöpfung, sondern eine Kompilation aus dem Augsburger Passionsspiel[6] (2. Hälfte des 15. Jahrhunderts), dessen Handschrift im Augsburger Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra gefunden wurde, und einem reformatorischen Passionsspiel des Augsburger Meistersingers Sebastian Wild.[7] Die Verbindung dieser beiden Texte wurde in einer Kärntner Passion und in einer Chiemgauer Passion nachgewiesen, die um 1600 gespielt wurden und auf die die Oberammergauer wahrscheinlich zurückgegriffen haben.[8] Die dritte Quelle ist entweder ein verloren gegangenes oder noch nicht nachgewiesenes Passionsspiel, es wird aber vermutet, daß es sich dabei um ein älteres Oberammergauer Auferstehungsspiel handelt.[9]
Für die fünfte Wiederholung des Gelübdes im Jahre 1674 wurden dem Oberammergauer Spiel Szenen aus der Weilheimer Passion aus den Jahren 1600 und 1615, welche auf einem spätmittelalterlichen Spiel aus der alemannischen Passionsspielgruppe basiert, hinzugefügt. Damit kam erstmals der Teufel ins Spiel, und die Figur der ‚Seele‘. Erstmals wird auch musikalische Gestaltung im Textbuch vermerkt: Elfmal „wirdt etwaß gesungen”[10], zehnmal beim Auftreten der Obrigkeit „mit der Tromm[11]: aufgemacht.”[12]
Das sechste Passionsjahr war bereits sechs Jahre später. Die Passion „wurde im Jahr 1680 dem christlichen Volke vorgeführt, und von da an blieb es auf die Zehner Zahl verlegt”[13]. Warum ist unbekannt.
Das Textbuch der Passion von 1720[14] läßt in den Regieanweisungen erstmals eine Kulissenbühne im Stil der Zeit erkennen, mit großem Portal und Vorhang, der verdeckte Bühnenumbauten zuläßt und den Zuschauerraum eindeutig von der Bühne trennt. Außerdem erfuhr die Textfassung eine Strukturierung in Akte und Szenen. Auch Sprache und Reime wurden der Zeit angepaßt.
1730[15] wurden dem Spiel neben Satan zusätzliche Repräsentanten der Hölle als allegorische Figuren von Neid, Geiz, Sünde und Tod hinzugefügt. Des Weiteren wurde das traditionell der Meditation dienende Stilmittel des ‚Einfrierens‘ der Handlung zu ‚Lebenden Bildern‘ ausgebaut.
[1] Daisenberger, Josef Alois: Geschichte des Dorfes Oberammergau. S.60
[2] Ebd.
[3]Vgl.: Huber, Otto / Helmut Klinner / Dorothea Lang: Die Passionsaufführungen in Oberammergau in 101 Anmerkungen. In: Hört, sehet, weint und liebt. Passionsspiele im alpenländischen Raum. S. 163
[4]Vgl.:Queri, Georg (Hg.): Der älteste Text des Oberammergauer Passionsspieles.
[5] ebd. S.XI
[6] Augsburger Passionsspiel. In: August Hartmann (Hg.): Das Oberammergauer Passionsspiel in seiner ältesten Gestalt. S. 3 – 95.
[7] Wild, Sebastian: Eine schöne Tragedi, aus heiliger Schrift gezogen. Von den Leiden und Sterben, auch Auferstehung unseres Herren Jesu Christi, Spielweiss in Reimen gebracht, welche mit nutz und besserung zu lesen und zu hören seyn. In: August Hartmann (Hg.): Das Oberammergauer Passionsspiel in seiner ältesten Gestalt. S.101-198
[8] Vgl.: Schaller, Stephan: Die ersten hundert Jahre des Oberammergauer Passionsspieles. S.90ff
[9] Vgl.: Kaltenegger Roland: Oberammergau und die Passionsspiele 1634-1984. S.142
[10] ebd.
[11] Tromm - mhd für Trompete
[12] GAO Passionspiel 1615. Oberammergau.
Vgl.: Kaltenegger Roland: Oberammergau und die Passionsspiele 1634-1984. S.142
[13] Daisenberger, Joseph Alois: Geschichte des Dorfes Oberammergau. S.60
[14] GAO Passionsspiel 1720. Oberammergau.
[15] GAO Passionsspiel 1730. Oberammergau.